Sonntag, 27. September 2009

(Tag 270) Wahlabend

Grmpf. Ich kann mich ja eigentlich nicht beschweren, weil ich nicht mitgemacht hab. Ich war zu... ja... faul und verpeilt, um mir "Briefwahl zu bestellen". Aber nun sitz ich hier, ess eine Avocado und sehe mir erstaunt an, dass für meine Landsleute "drüben" der vermeindlich beste Weg war, eine rechtskonservativ-finanzliberale Koalition zu wählen. Ich darf mich nicht beschweren, ich hab ja nicht mitgemacht. Aber nun sitz ich hier, trink ein Glas tiefroten Weins und schüttel den Kopf darüber, dass die SPD das schlechteste Ergebnis aller Zeiten abbekommen hat. Steinmeier, heißt es, sei es nicht gewesen. Hat sich so reingehängt, mit seiner Schröder-Parodie. Hab immer herzlich gelacht, über Franz-Walther "Gerhard" Steinmeier. Aber war er Schuld? Oder ist es die Mehrheit der Menschen wirklich überzeugt, dass die FDP die bessere Alternative ist? Ich darf mich nicht beschweren, ich hab ja nicht mitgemacht. Aber ich glaube ich brauch einen starken Schnaps, jedesmal, um die Qualen zu ertragen, dass so ein Politclown wie Guido Westerwelle unser Land dann vermutlich bald als Aussenminister vertritt. Reist er dann mit seinem Guidomobil zum G20 Gipfel, oder reichen 15% Wahlergebnis um selbst die größte Kanaille erwachsen werden zu lassen?
Ich kann mich nicht beschweren, ich hab ja nicht mitgemacht. Aber kaum bin ich mal nicht im Land, wählt ihr Deppen euch die denkbarste deppigste Option in die Regierung! Ihr wollt wohl nicht, dass ich wieder heim komme, was?

Sonntag, 20. September 2009

(Tag 263) Grundschule

Habe vor ein paar Tagen eine sehr lustige Doku im Fernsehen gesehen, oder ein Interview oder was weiß ich, ich hab es nur für ca. 1 min angesehen. Aber da ging es um eine Grundschule, in der die Zwerge (ca. 6-8 Jahre alt) gerade lernten, wie man Bücher sortiert. Anscheinend wird einem in niederländischen Grundschulen echt was geboten: denn die Hälfte der Klasse war als Buch verkleidet, d.h. sie steckten in großen Pappkartons, die einem Buchrücken (mit Buchstaben drauf) nachempfunden waren. Die andere Hälfte der Klasse lernte nun, durch Anbrüllen der "lebenden Bücher" und deren Umsortieren mit Hilfe der Lehrerin, wie man Bücher dem Alphabet nach anordnet. Links wackelte das Kind, dass in dem Buch mit der Aufschrift "Aa" steckte hin, angerempelt von "B", ehe sich dann "Ac" zwischen die beiden drängelte, von Geschrei der anderen Kinder begleitet. Hab herzlich gelacht, muss ich sagen.
Goldig, gell?

Hier in den Niederlanden besucht man die Grundschule (basisonderwijs) übrigens vom 4. oder 5. bis zum 12. Lebensjahr. Interessant ist, dass das Schulsystem hier sehr offen ist. Laut diesem niederländischen Wikipedia-Artikel, waren 2006 nur 30,8% der Grundschüler in einer "öffentlichen", also staatlichen Schule. Die anderen 69,2% verteilen sich auf eine Sammelsurium an Schulformen! Das sieht aus wie ein Inhaltsverzeichnis aus dem Lehrbuch für merkwürdige Schulformen. Davon sind aber nur 6,5% der Schüler "betroffen", die sich in Montessori- und Jenaplan- und Leonardo- (??) und was weiß ich nicht für Schulen tummeln. Die allermeisten Schüler (62,7%) gehen auf konfessionelle Schulen! Während katholisch (33,7%) und evangelisch (24,4%) den Löwenanteil der religiösen "geprägten" Grundschüler einnehmen, gehen doch immerhin 0,1% der niederländischen Grundschüler (das sind immerhin 1500!) auf eine hinduistische Grundschule! Merkwürdig, oder? Wie der Unterricht in einer hinduistischen Grundschule wohl aussieht?

Samstag, 19. September 2009

(Tag 262) Petrus Bier

Zur Feier des Tages, weil mein Rad für einen sehr fairen Preis wieder fahrbereit gemacht wurde, hab ich mir ein Bier gekauft. Die Auswahl war, als ich es dann gesehen hatte, leicht: denn ich kann mir ein Bier gönnen und meinen Bekannten mit seinem "Glaube-ist-Heilbar" Blog ärgern... es ist nämlich heiliges Bier! "Petrus Blond - The key to heaven"
Hier ist ein Bild:Auf der Rückseite sagt es: "Petrus Blond ist ein obergäriges Bier, gebraut mit reinem Quellwasser und sorgfältig ausgewählten Hopfen- und Malzsorten. Servieren sie dieses helle Bier mit seinem milden und vollen Geschmack am besten kühl. Enthält Gerstenmalz."
Hm, das klingt dann relativ profan. Gebraut wird es übrigens von der Bavik Brauerei in Belgien. Soso...

:-)

(Tag 262) break-uneven-point

Ich hab nun den Punkt erreicht, an dem Reparaturen an meinem Fahrrad den ursprünglichen Kaufpreis aufwiegen bzw. überwiegen -- ich hab, wie zuvor berichtet, ja vermutlich wegen meiner rabiaten Fahrweise oder rabiater Mitmenschen wieder eine Anzahl kaputter Speichen im Hinterrad gehabt. Da ich aber nun doch nicht wegen dieser Sache ein neues Rad kaufen will, lass ich es reparieren. Hat die niederländische Sparsamkeit doch auf mich abgefärbt, was? Naja, jedenfalls ist nun, mit dieser Reparatur, insgesamt mehr als der Kaufpreis an Reparaturen in das Rad gegangen. Wobei man allerdings sagen muss, das der Kaufpreis auch sehr niedrig war.
Mir ist das Rad ausserdem über die vergangenen Monate so ans Herz gewachsen. Es steht, mit seiner ständigen Neigung zum Versagen und Unglücken, so sehr als Symbol für meinen Aufenthalt hier, dass ich es einfach nicht weggeben kann!
Ausserdem gefällt mir die Farbe :-)

Mittwoch, 16. September 2009

(Tag 259) Schon wieder...

...ist mein Rad kaputt. Diesmal sind wieder einige Speichen im Hinterrad gebrochen. Ich hab meine Mitmenschen in Verdacht -- die beim "Ausparken" aus den engen und dichtgepackten Fahrradständern mit ihren Pedalen mein Hinterrad traktieren. Oder ich bin einfach zu fett und schwer und demoliere das Bike durch bloßes drauf Sitzen. Wer weiß?
Grmpf.
Ich denk mal, bis zum Wochenende hält das Rad noch durch. Dann werd ich überlegen -- investiere ich nochmal in eine Reparatur, neue Speichen, ein neues Rad... oder kauf ich mir gleich ein neues Fahrrad, weil das Alte mir so auf den Zeiger geht? Was, wenn meine freundlichen Mitmenschen das neue Rad auch wieder aus Unachtsamkeit demolieren?
Schwierig, schwierig...

Sonntag, 13. September 2009

(Tag 2-hoch-8) Politische Comedy

Ihr habt die Wahl. Die Bundestagswahl. Ich hab nix. Zu faul, um Briefwahl anzumelden. Ich hab doch was: ich hab den Spaß.
Ich schau mir das Kanzlerduell, auf ARD, ZDF und RTL... also, RTL hab ich nicht, aber ARD und ZDF. Viel zu Lachen gab es nicht. Wenn das Comedy sein soll, muss in Deutschland noch viel gelernt werden.
Morgen, am 14.9,. kehren "The daily show" (link, full episodes online) und der "Colbert Report" (link, full episodes online) wieder aus der Urlaubspause zurück. DAS ist politische Comedy...

:-)

Mittwoch, 9. September 2009

(Tag 252) Coffeeshops bleiben bestehen!

Ich glaube, neben Camping, Käse, spuckenden Fussballern und Holzschuhen wird nichts so sehr mit den Niederlanden verbunden wie das Kiffen. Sozusagen, Mythos Coffeeshop.
Dabei sind Coffeeshops eine merkwürdige Sache. Zwar ist der Besitz und Konsum von Marihuana nicht strafbar, aber der Verkauf wird nur geduldet, ist eigentlich nicht legal. Schon gar nicht in großen Mengen. Ebenso der Anbau, auch illegal. Ein wenig verwirrend und inkonsequent ist diese Regelung schon, aber - und das ist vielleicht auch sehr niederländisch - es funktioniert, ist ein Kompromis. Doch tatsächlich wird sich das vielleicht bald etwas ändern. Denn an dieser ganzen Coffeeshopperei ist doch einiges an Kriminalität und Problemen anhängig. Angefangen von Leuten, die vor Coffeeshops in zweiter Reihe parken und den Verkehr behindern, über nervende Franzosen/Belgier/Deutsche, die in den grenznahen Städten als Drogentouristen, vermutlich stoned bis dorthinaus, die Straßen bevölkern, bis hin zu handfester Kriminalität (denn irgendwo muss das illegale Zeug ja herkommen und irgendwer muss es dem geduldeten Coffeeshop ja liefern). Grundtenor: die Sache ist im Kern gut, aber aus dem Ruder gelaufen in den letzten Jahren.
Ich glaube daher, der Wunsch besteht hier in den Niederlanden diese Duldung abzuschaffen, bzw zu revidieren. Heute hab ich zunächst mal gelesen (hier ein Link zu einem Zeitungsartikel, nur niederländisch allerdings) dass die Coffeeshops bleiben dürfen und die Duldungsregelung weiter geht. Man will wieder zurück zu den Anfängen -- kleine Coffeeshops für lokale Konsumenten, ala User-Clubs oder so. Ausländische Konsumenten sollen nicht mehr erwünscht sein, bzw. per Ausweissystem sollen nur Niederländer (also, vermutlich heisst das, Leute mit Wohnsitz in NL) in den "Genuß" des Einkaufs in einem Coffeeshop kommen. Oha! Das reißt doch die ganze Camping- und Wochenendausflugsindustrie in den Ruin, wo fahren die Ströme von Jugendlichen aus dem Ruhrgebiet nun hin? Wird der Regionalexpress nach Venlo also bald eingestellt, bzw. wird er zu einem ganz normalen, erträglichen Zug? Wissen die Niederländer eigentlich, was sie den deutschen Jugendlichen da antun?
Na, ich finde diese Neu-Debatte der Drogenpolitik, auch ohne Scherze, ziemlich hirnlos. Es ist ein Problem, dass Herstellung und Anlieferung des Zeuchs illegal ist? Warum legalisiert man es nicht? Es ist doch auch legal, eine Schnapsbrennerei zu haben. Und zack, Steuern druff, haben wir wieder mehr Geld für das Gesundheitssystem. Aber vermutlich kann ein Staat, schon gar nicht einer, wo zwei Parteien mit dem Wort "Christ" im Namen an der Regierung beteiligt sind (die "Christen Unie" und die "Christen Democratisch Appèl" nämlich), es sich nicht leisten solche subversiven Substanzen wie Marihuana an ihre Schäfchen... ähm, Bürger abzugeben.
Pfft. Bin mal gespannt wie das weitergeht. Nicht, dass es mich in irgendeiner Form berühren würde, ich hab seit ich hier wohne noch keinen Coffeeshop betreten. Aber aus rein theoretischem Interesse ist das doch eine interessante Sache.

Samstag, 5. September 2009

(Tag 248) onbewust asociaal

Es gibt eine Werbekampagne hier in den Niederlanden, die heißt "onbewust asociaal", in der beworben wird, "asoziales" Verhalten im Alltag, also Dinge wie Müll einfach auf die Straße werfen oder rücksichtlos Musik zu hören oder dergleichen, nicht zur Gewohnheit werden zu lassen.
Ich hab heute gedacht, ich hätte auch in so einem Werbespot auftauchen können, allerdings aus Versehen und eigentlich unberechtigt.
Bin nämlich gerade einkaufen gefahren. Auf dem Parkplatz, wo ich sonst immer mein Auto abstelle, war natürlich nichts frei. Also bin ich ein wenig in der Gegend herumgekurvt, hab einen Lücke entdeckt, gewendet und eingeparkt. Ein paar Sekunden später (mein Motor war schon aus) hielt eine Frau in einem Kleinwagen neben mir und begann mich zu beschimpfen. Ich glaube sie war der Meinung, Anspruch auf diese Parklücke gehabt zu haben. Allerdings hatte ich sie, bei meinem Wende- und Einparkmanöver zuvor, nirgendwo gesehen. Tja. Sorry. Aber ich sah dann auch nicht mehr ein, für diese Frau wieder auszuparken und weiterzusuchen. Was sie sichtlich noch mehr erbost hat, so daß sie wutschnaubend wegfuhr.
Also. Ich würde sicherlich nicht jemanden, der offenbar mit Einparken beschäftigt ist und womöglich schon den Blinker gesetzt hat, den Parkplatz wegschnappen. Das wäre wirklich asozial. Aber ich denke mal, diese Frau hat es so empfunden, auch wenn sie ganz offensichtlich hunderte Meter entfernt den Blinker setzte, für mich unsichtbar.
Es tut mir auch nicht sonderlich leid. Meine Güte, muss sie halt noch 2-3min länger nach einem Parkplatz suchen. Sorry. Aber vermutlich denkt die nun wieder "Scheißdeutscher" oder so, weil ja deutsches Nummernschild und so.

Freitag, 4. September 2009

(Tag 247) Hoek van Holland Shootout -- Update

Also, mittlerweile hat sich die Sache mit der Schießerei bei diesem Strandfestival (PIRnews berichtete) aufgeklärt. Die Polizeiuntersuchung ergab, dass der Jugendliche, der erschossen wurde, von einer Polizeikugel getötet wurde. Und zwar geschah dass, als eine große Gruppe von Hooligans aus dem Umfeld Rotterdamer Fussballhools (ich sage nur Feyenoord Rotterdam...) ein paar Zivilpolizisten eingekreist und bedroht und auch nach der Abgabe von Warnschüssen aus den Dienstwaffen nicht von ihnen abliessen.
Nun zieht diese Sache Kreise. Offenbar war der Polizei vorab bekannt, dass möglicherweise Hooligans auf dieses Fest gehen wollten, um Ärger zu machen. Es wird diskutiert, ob die Polizeiführung und letztlich der Rotterdamer Bürgermeister Aboutaleb versagt haben. Von der Opposition in der Kommunalpolitik (aber auch auf höheren Ebenen) werden Rücktrittsforderungen laut. Ich bin mir nicht sicher, ob da nicht noch politisch was nachkommt.
Ein weiterer Effekt dieser Sache: es wird viel diskutiert, wie man ein "sicheres" Fest in Zukunft zu organisieren hat. Bei dem pauschalen Verbot von frei zugänglichen Veranstaltungen, wie es der Bürgermeister hier für die nächsten paar Jahre vorschlug, kann es ja wohl nicht bleiben.
Was für mich zu kurz kommt in der Debatte, die zumindest ich in der Lage bin zu verfolgen, ist die rassistische Desinformation, die in der Folge der Vorfälle z.B. die Landschaft der Umsonst-Tageszeitungen (von denen es in Rotterdam drei oder vier an Bahnhöfen usw einzusammeln gibt) zu sehen war... obwohl es einfach anscheinend keine wirklichen Informationen gab und sie im Nachhinein auch völlig falsch lagen, haben diese Medien ja sofort Jugendliche von den Antillen ("antilliaanse jongen") als Täter fest gemacht. Das hat mich ziemlich bestürzt, den das ist schon echt happig wie unverfroren da rassistische resentiments geschürt wurden.
Was bleibt, ist die große Angst in der niederländischen Gesellschaft vor "den Hooligans", die immer brutaler und hemmungsloser mit der Polizei und sonst allen umspringen. Wie groß diese Angst ist sieht man daran, dass über die Stadt Enschede, wo morgen das Länderspiel Niederlande - Japan stattfindet, eine Art Notverordnung verhängt wurde, die mehr Möglichkeiten der Sicherheit bieten soll und es der Polizei erlaubt, Menschen aus der Stadt zu verbannen etc... dort haben sich wohl Anhänger verschiedener Hooligan-Clubs (und, pikant, auch deutsche Hools) angekündigt. Ob die Hooligan-Gruppen wohl vorhaben, die Eskalation, die in Hoek van Holland vorerst ihren Höhepunkt erreicht hat, weiter zu treiben? Man wird sehen. Aber ich kann verstehen, dass man sich als Gemeinde gerne, was die Sicherheit angeht, vorbereiten möchte. Eine ausser Kontrolle geratene Gruppe von ein paar hundert völlig enthemmten Schlägertypen, die auch vor dem gezielten Angriff auf Polizisten nicht halt machen, ist auch nichts was man bei sich in der Innenstadt oder so gerne erleben mag.